In den Risikoscore für eine atherosklerotische kardiovaskuläre Erkrankung fließen jetzt mehr populationsbasierte Daten ein. Die amerikanischen Leitlinien enthalten nun konkrete evidenzbasierte Empfehlungen zur Anwendung von PCSK9-Inhibitoren. Neu sind auch pharmakoökonomische Überlegungen.

LDL-Cholesterin

Die aktualisierten Leitlinien [1] von AHA (American Heart Association) und ACC (American College of Cardiology) ersetzen die umstrittenen Empfehlungen aus dem Jahr 2013 und werden von mehr als zehn weiteren Fachgesellschaften mitgetragen. Wichtige Änderungen der neuen „Cholesterol Guidelines“ gegenüber den bisherigen Empfehlungen erläuterte Co-Autor Salim Virani, MD, PhD, FACC, vom Baylor College of Medicine, in einem Interview auf dem wissenschaftlichen Kongress 2018 der AHA [2]. Details finden sich im Editorial des Co-Autors des systematischen Literaturreviews Amit Khera, MD, MSc, Division of Cardiology, UT Southwestern Medical Center, Dallas [3] und auf der Website der AHA.

Welche Punkte wurden beibehalten?

  • Änderungen des Lebensstils bleiben eine entscheidende Maßnahme zur Reduktion des kardiovaskulären Risikos.
  • Bei Therapiebeginn soll der Lipidstatus bestimmt werden.
  • Die Empfehlungen zur Primärprävention bei den schon früher beschriebenen vier Risikogruppen bleiben gleich:
    ° Patienten mit etablierter kardiovaskulärer Erkrankung
    ° Patienten mit hohen LDL-C (low density lipoprotein cholesterol)-Spiegeln
    ° Patienten mit Diabetes
    ° Patienten mit einem erhöhten 10-Jahres-Risiko
  • LDL-C bleibt das primäre Behandlungsziel.

Was sind die neuen Aspekte in den Leitlinien?

  • Zur Bestimmung des Risikos dürfen nun zu den Nüchternwerten auch Nicht-nüchtern-Blutwerte herangezogen werden. Dies bedeutet eine große Erleichterung in der Praxis.
  • Im Rahmen der Primärprävention werden nun ergänzende Parameter und Methoden zur Risikobestimmung empfohlen [4].
  • Generell sollen die Therapieziele für Patienten im Rahmen der Primärprävention in Abhängigkeit ihres Risikos und dem Vorliegen sogenannter risikoverstärkender Faktoren gesetzt werden.
    Zu diesen risikoverstärkende Faktoren, die nicht im Risikokalkulator enthalten sind, zählen zum Beispiel:
    ° ein LDL-C von mindestens 160 mg/dl,
    ° ein C-reaktives Protein von wenigstens 2,0 mg/l,
    ° ein Apolipoprotein B von 130 mg/l und darüber,
    ° ein erhöhtes Lipoprotein(a).
  • Im Rahmen der Sekundärprävention wird eine neue Hochrisikogruppe definiert. Patienten mit mehreren schweren Ereignissen aufgrund einer atherosklerotischen kardiovaskulären Erkrankung (atherosclerotic cardiovascular disease [ASCVD]) wie Myokardinfarkt, multiplen akuten Ereignissen eines Koronarsyndroms, Schlaganfall oder symtomatischer peripherer Verschlusskrankeit in der Anamnese, werden mit höherer Wahrscheinlichkeit von einer Zusatztherapie profitieren.
  • Für LDL-C werden keine Ziel-, sondern Grenzwerte vorgeschlagen, bei deren Überschreitung eine Therapieintensivierung in Erwägung gezogen werden soll.
  • Für die neue Hochrisikogruppe werden Zusatzmedikationen wie Ezitimid und PCSK9 (proprotein convertase subtilisin/kexin type 9)-Inhibitoren empfohlen.
  • Weiterhin werden evidenzbasierte Risikofaktoren genannt, wie zum Beispiel das Vorliegen von unkontrollierter Hypertonie, Diabetes, dauerhaft erhöhte LDL-C-Werte oder familiäre Hyerlipidämie, welche bei der Sekundärprävention in Form von Zusatztherapien berücksichtigt werden sollten.

Lipidsenkende Basistherapie mit Statinen

Statine bleiben der Eckpfeiler für das Lipidmanagement. Statintherapien mit hoher, mittlerer oder niedriger Intensität senken die LDL-C-Spiegel um mehr als 50%, 30% bis 49% bzw. weniger als 30%. Zu den empfohlenen Statinen für jede Intensitätsstufe gehören:

  • Therapie mit hoher Intensität: 80 mg Atorvastatin und 20 mg Rosuvastatin
  • Therapie mit mittlerer Intensität: 10 mg Atorvastatin und 10 mg Rosuvastatin und 20 bis 40 mg Simvastatin oder 40 mg Pravastatin und 40 mg Lovastatin und 80 mg Fluvastatin XL und 40 mg Fluvastatin zweimal täglich und Pitavastatin
  • Therapie mit niedriger Intensität: 10 mg Simvastatin oder 10 bis 20 mg Pravastatin und 20 mg Lovastatin und 20 bis 40 mg Fluvastatin.

Evidenzbasierte Zusatztherapien

Anhand eines systematischen Reviews der Daten aus qualitativ hochwertigen klinischen Studien fanden Forscher klare Belege dafür, dass eine Ergänzung der Statintherapie mit Nicht-Statin-Lipid-modifizierenden Medikamenten wie Ezetimib und PCSK9-Inhibitoren das ASCVD-Risiko verringert, nicht jedoch eine Zusatztherapie mit Niacin- oder Cholesterinester-Transferprotein-Inhibitoren [5].

Für die PSK9-Inhibitoren wurde erstmals im Rahmen eines Leitliniendokuments eine Kosten-Nutzen-Bewertung durchgeführt. Auf Basis der zum Berechnungszeitpunkt in den USA gültigen Arzneimittelpreise konnte für sechs von sieben Produkten nur ein ungünstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis festgestellt werden. Für ein Produkt lag der Wert bei 140.000 $ pro qualitätsadjustiertem Lebensjahr (quality-adjusted life-year [QALY]) und damit in einem mittleren Bereich. Autor: Dr. Elke Schlüssel