Die Ergebnisse seien ein starkes Argument dafür, auch bei älteren Patienten lipidsenkende Medikamente einzusetzen. Doch gelte dies vor allem in der Sekundärprävention.

Die Ergebnisse seien ein starkes Argument dafür, auch bei älteren Patienten lipidsenkende Medikamente einzusetzen. Doch gelte dies vor allem in der Sekundärprävention. © iStock/Ridofranz 

Einem 80-Jährigen sollte man keinen Cholesterinsenker mehr zumuten? Im Gegenteil. Auch die Altersgruppe Ü75 profitiert im Hinblick auf das kardiovaskuläre Risiko von der Behandlung. 

Die Annahme, ein zu hohes LDL-Cholesterin berge bei Menschen über 70 Jahren kein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse, fußt auf der Beobachtung von Menschen, die vor Jahrzehnten für Studien rekrutiert wurden – zu einer Zeit, in der die Prävention und Therapie arteriosklerotischer Erkrankungen noch eine andere war. Mittlerweile hat sich in diesen Punkten jedoch einiges getan, zudem werden die „Alten“ immer älter, der Anteil derjenigen mit KHK und Myokardinfarkt wächst. Höchste Zeit also zu prüfen, ob sich bei Senioren mit pathologischen Fettwerten nicht doch die konsequente LDL-Senkung lohnt. 

Dänische Wissenschaftler untersuchten daher eine Kohorte aus der Copenhagen General Population Study. Sie umfasste über 90 000 Personen zwischen 20 und 100 Jahren, die bei Studieneinschluss (von 2003 bis 2015) weder eine Herz-Kreislauf-Erkrankung noch einen Diabetes aufgewiesen und keine Statine eingenommen hatten. 

Mit Alter und LDL-Wert steigt die Infarktgefahr 

Im mittleren Follow-up von 7,7 Jahren erlitten mehr als 1500 dieser Menschen einen ersten Herzinfarkt, knapp 3400 entwickelten eine arteriosklerotische Erkrankung. Pro 1 mmol/l mehr LDL-Cholesterin erhöhte sich das Herzinfarktrisiko in der Gesamtpopulation um 34 %, das für kardiovaskuläre Erkrankungen um 16 %. Die Ereignisrate pro 1000 Personenjahre stieg jedoch bei den „Alten“ mit jedem zusätzlichem Millimol LDL stärker an als bei den Jüngeren. So traten bei den 80- bis 100-Jährigen mit einem LDL-Cholesterin ≥ 5 mmol/l rund viermal so viele Myokardinfarkte auf wie bei unter 70-Jährigen mit gleich hohen Fettwerten. 

Rechnerisch ermittelt wurde in der Studie auch der potenzielle Effekt einer Statintherapie in mittlerer Intensität über fünf Jahre: Die number needed to treat (NNT), um einen Myokardinfarkt bzw. ein kardiovaskuläres Ereignis zu verhindern, war mit 80 bzw. 42 am niedrigsten bei den 80- bis 100-Jährigen. D. h., gerade in der älteren Bevölkerung könnte man die kardiovaskuläre Last durch Lipidsenkung verringern. 

Eine aktuelle Metaanalyse mit Daten aus 29 jüngeren randomisierten kontrollierten Studien mit insgesamt 244 000 Teilnehmern kommt zu einer ähnlichen Schlussfolgerung. Von den Patienten unter einer cholesterinsenkenden Therapie mit Statinen, Ezetimib und/oder PCSK9-Hemmern waren 8,8 % (21 500) mindestens 75 Jahre alt. Bei ihnen nahm das Risiko für größere kardiovaskuläre Ereignisse pro 1 mmol/l Reduktion des LDL-Cholesterins um 26 % ab. Die entsprechende Risikominderung um 15 % bei den Teilnehmern unter 75 Jahren unterschied sich davon nicht signifikant. 

Die Daten bestätigen das Konzept der kumulativen Last durch ein erhöhtes LDL-Cholesterin für die Gefäße im Verlauf des Lebens, heißt es in einem Kommentar. Die Ergebnisse seien ein starkes Argument dafür, auch bei älteren Patienten lipidsenkende Medikamente einzusetzen. Doch gelte dies vor allem in der Sekundärprävention. Ob über 75-Jährige auch zur Primärprävention Lipidsenker bekommen sollten, sei noch unklar. Autor: Dr. Angelika Bischoff Quellen:
1. Mortensen MB et al. Lancet 2020; 396: 1644-1652; DOI: 10.1016/S0140-6736(20)32233-9
2. Gencer B et al. A.a.O.: 1637-1643; DOI: 10.1016/S0140-6736(20)32332-1
3. Raal FJ, Mohamed F. A.a.O.: 1608-1609; DOI: 10.1016/S0140-6736(20)32333-3