Die ersten COVID-19-Impfstoffe sind beinahe in Reichweite: Die Immunisierung der Bevölkerung muss jetzt sorgfältig geplant werden. © iStock/hocus-focus
Die Verfügbarkeit von COVID-19-Impfstoffen rückt näher. Doch wer wird zuerst immunisiert, wer traut sich, wer darf? Eine Nationale Strategie soll den Rahmen setzen. Die Bundesländer leiten bereits organisatorisch die Massenimmunisierungen in die Wege.
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat ein erstes Konzept für eine nationale Impfstrategie gegen COVID-19 vorgelegt. Der Entwurf sieht eine Lieferung der Vakzinen durch den Bund an 60 Standorte in allen Bundesländern vor, die Verteilung erfolgt gemäß Bevölkerungsanteil. Für Lagerung und Logistik vor Ort sind die Länder verantwortlich.
Drei deutsche Impfstoff-Projekte gefördert
Eine Impfpflicht gegen das Coronavirus ist nicht vorgesehen, das Interesse in der Bevölkerung an einer Impfung scheint dennoch groß zu sein, wie Umfragen zeigen. Bei einer Statista-Umfrage z. B. erklärten Anfang November 37 % der Menschen, sich auf jeden Fall impfen lassen zu wollen. 34 % wollen es wahrscheinlich tun. Laut ARD-Deutschlandtrend befürworten 93 % die Priorisierung von Risikogruppen, Ärzten und Pflegepersonal.
Zurzeit (12.11.) sind laut Weltgesundheitsorganisation 48 mögliche Impfstoffkandidaten in der Testung, 164 weitere Kandidaten stecken in der vorklinischen Entwicklung. Die Bundesregierung fördert Projekte von drei deutschen Unternehmen: BioNTech, CureVac und IDT Biologika GmbH. Mit den Impfstoffentwicklern sei vereinbart, dass sie größere Mengen eines potenziellen Impfstoffs der Bevölkerung in Deutschland und Europa zur Verfügung stellen.
Die Immunisierungen sollen nach einem Zwei-Phasen-Plan ablaufen, nach verfügbaren Mengen unterteilt: Wenig verfügbarer Impfstoff wird an Gruppen mit höchster Priorität abgegeben (Phase 1a), ist mehr vorhanden, liegt der Fokus auch auf Gruppen mit nachgeordneter Priorität (1b). Ist Impfstoff großflächig verfügbar, kann er für die Allgemeinbevölkerung in der Regelversorgung verwendet werden (Phase 2). Das BMG beschreibt die Details in seinen „Empfehlungen für die Organisation und Durchführung von Impfungen gegen SARS-CoV-2 in Impfzentren und mit mobilen Teams“. Als zuständig werden ärztliche Einrichtungen, niedergelassene Ärzte und Betriebsärzte genannt. Dass Praxen in Phase 2 einbezogen werden, begrüßt die Allianz Deutscher Ärzteverbände: „Langfristig gehören auch diese Impfungen in die Hände von Niedergelassenen.“
Einbeziehung der Terminservicestellen
Erwogen wird laut Impfstrategie, dass über die Terminservicestellen der KVen das nächste Zentrum und der Termin plus Folgetermin ausgewählt werden können – mit Aufnahme und Weiterleitung der Daten an die Einrichtung. „Die Gesamtprozessdauer je zu impfender Person beträgt basierend auf Erfahrungswerten ca. 15 Minuten“, schreibt das BMG mit Verweis auf Grippeimpfungen. Fünf Minuten sind pro ärztlicher Beratung rechnerisch kalkuliert und maximal 96 Immunisierungen pro Tag – bezogen auf eine ärztliche Acht-Stunden-Vollzeitstelle.
Positionspapier beschreibt Regeln für Priorisierung
Phase 2 ist allerdings erst umsetzbar, wenn die Bedingungen für Lagerung und Kühlung einfacher zu erfüllen sind. In Phase 1 wird von Mehrdosenbehältnissen und einer Kühltemperatur in Zentren von bis zu -75 Grad C ausgegangen. In Phase 2 von Einzeldosenabfüllung und einer Lagertemperatur von 2 bis -8 Grad C. Mittelfristig sollen mehrere Impfstoffe in der EU verfügbar sein.
Die Auswahl bevorzugter Personengruppen in Phase 1 soll auf den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission, des Deutschen Ethikrates und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina basieren. Dazu wurde am 9. November ein Positionspapier veröffentlicht. „Aus grundlegenden ethischen und rechtlichen, aber auch aus pragmatischen Gründen ist eine möglichst einheitliche, transparente und damit vertrauenserweckende sowie akzeptanzsichernde Verteilung geboten“, heißt es hier. Das spreche für eine Impfstrategie, die nicht auf einzelne Hausärzte, sondern auf staatlich mandatierte Zentren (etwa Gesundheitsämter usw.) setze.
In Berlin, 3,7 Mio. Einwohner, sind entsprechende Vorbereitungen angelaufen. Wie Gesundheits-Staatssekretär Martin Matz mitteilte, sind rechnerisch sechs Standorte mit je 15 Plätzen möglich. Auf jeden Impfplatz kämen mehrere Anamnese- und Registrierungsplätze. Die Voruntersuchung könne erleichtert werden, indem der Hausarzt zuvor seinem Patienten die Impffähigkeit bescheinige. Darüber seien bereits Gespräche mit der Kassenärztlichen Vereinigung geführt worden. Die Teams zögen zuletzt „von Kabine zu Kabine“, um zu immunisieren. Es sei ein flexibles System, mit je nach Bedarf mehr oder weniger Plätzen, so Matz.
Anforderungen an die Lage von Impfzentren
- gute Erreichbarkeit für Patienten, Personal und Material (Parkplätze, Abstellplatz Fahrräder, ÖPNV)
- behindertengerechter Zugang
- separate Anlieferungsfläche und Stellplatz für Kühl-Lkw
- Möglichkeiten für polizeilichen Schutz des Gebäudes
An welchen Stellen die Zentren eingerichtet werden, steht jetzt fest, darunter eine Messehalle und Bereiche in den geschlossenen Flughäfen Tegelund Tempelhof. Zurzeit würden die Gebäude angeschaut, die dafür infrage kämen, so der Staatssekretär. Auch Verträge mit Messebaufirmen, z.B. über flexible Trennwände, seien in Vorbereitung. Berlin bereitet sich laut Matz in der ersten Phase auf 400 000 zu Impfende vor. Da die Vakzine zweimal verabreicht werden müsse, im Abstand von drei Wochen, seien es anfangs 800 000 Impfungen. 2021 wären es dann deutlich mehr Menschen. Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) spricht von 20 000 Immunisierungen pro Tag.
Brandenburg zählt 2,52 Mio. Einwohner. Auch hier laufen die Vorbereitungen. Geplant sind nach Aussage von Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) zunächst zwei größere Impfzentren – eines in Potsdam und eines im Raum Cottbus – sowie mehrere mobile Teams. Weitere Zentren sollen später hinzukommen. Die erforderlichen Materialien würden über den Zentraldienst der Polizei des Landes beschafft, darunter rund 3 Mio. 1-ml-Spritzen und Kanülen, rund 3 Mio. Pflaster, über 3,5 Mio. Alkoholtupfer sowie Ultratiefkühltruhen und Kühlcontainer.
Zu konkreten Aufgaben der Brandenburger Kassenärzte ist noch nichts vereinbart. KV-Chef Dr. Peter Noack rechnet aber für die KV selbst mit einem erheblichen Aufwand. An eine externe Unterstützung wird bereits gedacht. Ausgeschlossen werden soll jedoch eine Belastung der Kollegen über den KV-Haushalt. Quelle:Medical-Tribune-Bericht Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck