Schon bei Männern weit unter dem 40. Lebensjahr herrscht im Bett tote Hose – erektile Dysfunktionen beschränken sich keinesfalls auf ältere Patienten. Neben bislang unbekannten Risikofaktoren haben Ärzte neue Möglichkeiten gefunden, das Leiden zu behandeln.
Erektile Dysfunktion (ED) – ausschließlich bei älteren Männer relevant? Keineswegs, berichtet Andrea Salonia von der Universität Vita-Salute San Raffaele, Italien. Im Rahmen einer Studie untersuchte er 790 Patienten, die sich wegen sexueller Funktionsstörungen in einer Ambulanz vorgestellt hatten.
Jung und schlapp
Nach eingehender Anamnese fand Salonia bei 55,6 Prozent eine ED. Etwa 26 Prozent der Patienten waren maximal 40 Jahre alt. Bei ihnen ließen sich weniger Komorbiditäten nachweisen, und die Testosteronspiegel lagen erwartungsgemäß höher als bei Leidensgenossen über 40. Allerdings konsumierten jüngere Patienten mehr illegale Drogen und rauchten häufiger. Eine schwere Form der ED trat bei 49 Prozent aller jüngeren und bei 40 Prozent aller älteren Männer auf. Zwar ist Salonias Stichprobe zu klein für kausale Schlussfolgerungen. Jahre zuvor lieferte die Massachusetts Male Aging Study aber ähnliche Resultate: Vier von zehn Männern um die 40 leiden an einer ED. Im weiteren Leben steigt das Risiko pro Dekade um zehn Prozent an. Andrea Saloni bewertet für jüngere Menschen den Lebensstil als kritischen Faktor – sprich Nikotin und illegale Substanzen. Er fordert, Kollegen aus der Praxis sollten ihre Sexualanamnese nicht auf Männer jenseits des 40. Lebensjahrs beschränken.
Suche im Gefäß
Jacob Rajfer vom Harbor-UCLA Medical Center im kalifornischen Torrance fragte sich, ob es vielleicht noch andere Erklärungen gibt. Sein Team ging der Frage nach, welche Rolle Zufluss- oder Abflussstörungen bei jüngeren Menschen mit ED spielen. Zusammen mit Kollegen wertete Rajfer Doppler-Sonographien von 23 Patienten aus. Lediglich in einem Fall gab es Hinweise auf eine arterielle Gefäßerkrankung. Auch ließen sich die Schwellkörperarterien bei fast allen Studienteilnehmern um 50 Prozent oder mehr weiterstellen. Neun Männer unterzogen sich einer dynamischen Infusionskavernosometrie zur Diagnostik. Dabei zeigte sich, dass die Venen stärker durchlässig waren als erwünscht – ein neuer Aspekt. Rajfer kritisiert, in der Vergangenheit seien viele Studien mit Männern jenseits des 50. Lebensjahres durchgeführt worden, bei denen es durch Diabetes oder Hypertonie zu endothelialen Dysfunktionen gekommen war. Diese Erklärungen funktionieren bei Patienten unter 40 aber kaum. Hier sollte die Funktion der glatten Muskulatur im Corpus cavernosum penis gründlicher untersucht werden. Ohne vaskuläre ED machen auch neue therapeutische Konzepte wie Stoßwellentherapien kaum Sinn. Entsprechende Studien laufen zurzeit am Frankfurter Uniklinikum.
Freie Fahrt auf allen Spuren
Für Patienten mit einer ED atherosklerotischer Genese gibt es aber noch weitere Perspektiven. Jason H. Rogers aus Sacramento, USA, behandelt Betroffene mit einer Gefäßstütze. Er konnte zeigen, dass sklerotische Ablagerungen in der Arteria pudenda interna – sie versorgt den Schwellkörper beziehungsweise die Genitalien – und in der Beckenarterie Hand in Hand gehen. Für die Revaskularisation wählte Rogers 30 Männer aus, bei denen Phosphodiesterase-5-Hemmer nicht richtig wirkten. Als primären Endpunkt definierte er eine Verbesserung der ED um mindestens vier Punkte bei 50 Prozent aller Studienteilnehmer anhand des International Index of Erectile Function (IIEF). Der Kollege implantierte bei 19 Probanden einseitig insgesamt 27 Stents. Weitere elf Männer erhielten beidseitig insgesamt 29 Stents. Dabei kamen beschichtete Cobalt-Chrom-Legierungen zum Einsatz. Sie enthielten den antiproliferativen Wirkstoff Zotarolimus in BioLinx™-Polymere eingebettet. Dank dieser Technologie traten keine größeren Komplikationen wie Stentthrombosen oder arterielle Embolien auf. Nach sechs Monaten erreichten 59,3 Prozent aller Probanden den primären Endpunkt. Darüber hinaus verbesserte sich die maximale systolische Strömungsgeschwindigkeit in Penisarterien. Jason H. Rogers schreibt als Kommentar, ein entscheidendes Erfolgskriterium für Stents sei die Auswahl geeigneter Patienten. Ohne randomisierte Studien eignen sich diese Implantate aber nicht zur flächendeckenden Versorgung.
Risiken ganz ruhelos
Neben vaskulären Auslösern haben Forscher der Harward Medical School um Xiang Gao einen weiteren Risikofaktor identifiziert: Patienten mit dem Restless-Legs-Syndrom (RLS) leiden signifikant öfter an ED. Gaos prospektive Studie umfasste mehr als 10.000 Männer, die zu Beginn auf RLS-Symptome untersucht worden waren. Bei 331 Probanden stellten Ärzte diese Diagnose, ohne dass es Anhaltspunkte für sexuelle Dysfunktionen gegeben hätte. Während des sechsjährigen Follow-Ups erkrankten 23,4 Prozent an ED. In der Vergleichsgruppe waren nur 15,4 Prozent betroffen. Männer mit fünf bis 14 RLS-Episoden pro Monat hatten ein um 34 Prozent höheres Risiko, bei Patienten mit 15 und mehr RLS-Episoden waren es sogar 49 Prozent. Xiang Gao schreibt, das Restless-Legs-Syndrom sei als Risikofaktor ähnlich bedeutsam wie Diabetes mellitus, Adipositas, Rauchen oder Depressionen. Welche Vorgänge diesem Phänomen zu Grunde liegen, wollen Forscher jetzt herausfinden. Sie haben längst noch nicht alle Pathomechanismen rund um erektile Dysfunktionen entschlüsselt.
Update erektile Dysfunktion: Immer auf den Kleinen von Michael van den Heuvel, http://news.doccheck.com/de/36841/update-erektile-dysfunktion-immer-auf-kleinen/