Zusammenfassung
Die kluge Auswahl von Antibiotika gehört zu den wichtigen Maßnahmen im Kampf gegen die neue Entstehung und Verbreitung von Resistenzen. Auf den folgenden Seiten geben wir Tipps zur verantwortungsbewussten Indikationsstellung. Wann können Sie auf ein Antibiotikum verzichten, und wenn Sie ein Antiobiotikum einsetzen müssen, welches sollten Sie verordnen?
_ Wie auch jede andere evidenzbasierte Therapie der modernen Medizin sollte eine antibiotische Therapie „rational“ sein und dem Patienten einen hohen Nutzen bei überschaubaren Risiken bieten. Im Zeitalter zunehmender Verbreitung von resistenten und multiresistenten Bakterien können die kluge Indikationsstellung und die Auswahl geeigneter Antibiotika wertvolle Beiträge zur Reduktion des Selektionsdrucks und damit der neuen Entstehung von resistenten Bakterien leisten.
Allerdings kann dadurch das Problem der Antibiotikaresistenzen nur zum Teil beeinflusst werden. Andere Faktoren, wie z. B. der Erwerb resistenter Erreger durch Fernreisen oder der verbreitete Antibiotikaeinsatz in der Tierzucht, sind dadurch nicht zu beeinflussen. Es stellt sich die Frage, was der Hausarzt angesichts der neuen Resistenzentwicklungen in seiner Antibiotikaauswahl wissen und berücksichtigen soll.

Indikation für die ambulante Antibiotikaverordnung

Antibiotika sind bei schweren bakteriellen Infektionen lebensrettend. Die Indikationsstellung richtet sich ganz nach der Symptomatik, den Befunden und der daraus resultierenden Verdachtsdiagnose einer klassischen Infektionskrankheit. In der Hausarztpraxis sind die häufigsten Erkrankungen, die eine antibiotische Therapie notwendig machen, bakterielle Infektionen des Respirationstraktes und Harnwegsinfektionen. Hinzu kommen Haut- und Weichgewebeinfektionen und Infektionen des Gastrointestinaltraktes. Manchmal wird auch die Fortsetzung einer Antibiotikatherapie, die aufgrund einer systemischen Infektion in einer Klinik begonnen wurde, zur Aufgabe des Hausarztes.
Eine antibiotische Therapie sollte nicht aufgrund von Einzelsymptomen wie Fieber, Leukozytose oder CRP-Erhöhung begonnen werden. Für diese Symptome und Befunde ist die Differenzialdiagnose an nicht-infektiösen Ursachen so umfangreich, dass die Gefahr bestünde, eine nicht-infektiöse oder nicht-bakteriell bedingte Krankheit zu Unrecht mit einem Antibiotikum zu behandeln.

Kolonisation versus Infektion

Ein Fallstrick der Antibiotikaverordnung ist gemeinhin der Nachweis von Bakterien in Abstrichen oder anderen Kulturmaterialien, der durch eine Kolonisation begründet ist und keine systemische antibiotische Behandlung rechtfertigt. Bei einem Rachenabstrich, der zum Nachweis oder Ausschluss von Streptokokken durchgeführt wird, wäre ein Nachweis von anderen potenziellen Kolonisatoren des Nasopharynx keine hinreichende Begründung für den Einsatz eines Antibiotikums.
Ein Beispiel ist der Nachweis von Escherichia (E.) coli oder Haemophilus (H.) parainfluenzae im Rachenabstrich bei Halsschmerzen und geröteten Tonsillen. Eine „E.-coli-Pharyngitis“ ist keine bekannte oder übliche Infektionskrankheit. Der Nachweis von E. coli allein sollte nicht zur Antibiotikaverordnung führen. Lässt jedoch die Summe aus Lokalbefund, Inflammationsparametern und Immundefektzeichen (Leukämie, Agranulozytose) eine schwere Infektionskrankheit vermuten, dann wäre dies eine potenziell nicht in der Praxis beherrschbare Situation, die eine weitere fachärztliche Diagnostik (Bildgebung, Blutkulturen, hämatologische Diagnostik, HNO-Abklärung) oder eine stationäre Behandlung nach sich ziehen sollte.
Ein anderes Beispiel ist der Nachweis von einem oder mehreren gramnegativen Bakterienisolaten im Mittelstrahlurin. Hier sollte hinterfragt werden, ob es sich um eine fäkale Kontamination handeln kann oder ob das mikrobiologische Ergebnis wirklich eine bakterielle Zystitis widerspiegelt (Nitrit positiv? Leukozyturie? Klinische Symptome im Sinn von Algurie oder Dysurie/ Pollakisurie?).

Sputumfarbe allein ist keine Indikation für Antibiotikagabe

Patienten und etliche Ärzte glauben, dass die Grünfärbung von Sputum oder Nasensekret automatisch eine Antibiotikaverordnung notwendig macht. Dies ist jedoch nicht immer so. In vielen Studien wurde belegt, dass in der Situation „Husten — grünes Sputum — kein Pneumonienachweis“ der Einsatz eines Antibiotikums die Symptomdauer nicht verkürzen kann.
Die Gelb- und auch die Grünfärbung von Sekreten kann bei einem Virusinfekt durch die Granulozytenaktivität („Eiter“) und durch die Beimengung von Biliverdin (Schleimhauthämorrhagie bei Virusinfekt mit anschließendem Hämoglobinzerfall) bedingt sein. Andererseits kann die Sekretfarbe jedoch bei der Exazerbation einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) zusammen mit weiteren Symptomen oder Befunden (CRP, Leukozytose) den Ausschlag für die Auswahl einer antibiotischen Behandlung geben.
Der Arzt hat also viele Bausteine zur Sicherung einer bakteriellen Infektion in der Hand: Symptomatik, Umgebungs- und Expositionsanamnese, körperlicher Befund, Entzündungslabor, Bildgebung und mikrobiologische Befunde. Die Summe dieser Informationen ist meist wertvoller als ein einzelner mikrobiologischer Befund. Der Erregernachweis hat jedoch Bedeutung für die Diagnosebestätigung und für den Ausschluss von Erregerresistenzen. Immer sollte klar hinterfragt werden, ob es sich um einen Infektionsnachweis, eine Kolonisierung oder gar eine Kontamination (z. B. während der Gewinnung, dem Versand oder der Verarbeitung der Probe) handelt.

Wahl des richtigen Antibiotikums

Die Auswahl eines Antibiotikums kann sich für jede kalkulierte Therapie an fünf einfachen Leitfragen orientieren (Tab. 1). Diese sind gut zu memorieren. Ihre Beantwortung enthält meist auch eine gute Handlungsanweisung. Die entsprechende Leitlinie mit dem aktuellen Stand der Empfehlungen für ein spezifisches Infektionssyndrom kann nur durch die genaue Beantwortung der ersten Frage sinnvoll identifiziert werden, auch wenn es in manchen Situationen schwierig sein kann, diese Frage zu beantworten.

Tab. 1

Leitfragen bei der Auswahl einer kalkulierten Antibiotikatherapie
Frage
Kommentar
1
Um welche Infektionskrankheit handelt es sich? Falls keine endgültige Diagnose möglich ist, genügt hier wenigstens eine gute Verdachtdiagnose. Nicht erlaubte Antworten: Leukozytose, „CRPitis“, Fieber. Jedes dieser Symptome hat zu viele nicht-infektiöse Ursachen!
Aus der Beantwortung dieser Frage ergeben sich auch Hinweise auf die noch notwendige Diagnostik.
2
Welche bakteriellen Organismen sind statistisch gesehen bei dieser Infektionskrankheit am häufigsten?
Die Antwort muss niemand auswendig wissen. Das kann auch rasch in einer Tabelle nachgesehen werden.
3
Habe ich genügend und die richtigen Proben für die Mikrobiologie entnommen und eingesandt, um Kulturergebnisse zu erhalten? Nur dann kann später die kalkulierte in eine gezielte Therapie übergehen.
Im Praxisalltag muss bei vielen Erkrankungen wegen der Kosten und der Transportwege auf das Anlegen einer Kultur verzichtet werden.
4
Welches Antibiotikum oder welche Antibiotikakombination ist hier empfehlenswert nach dem Prinzip der „evidence based medicine“?
In den Leitlinien haben sich meist viele Experten die Mühe gemacht, die verfügbare Evidenz zu Extrahieren und zu kommentieren.
5
Welche individuellen Voraussetzungen meines Patienten muss ich berücksichtigen? Nie darf die Frage nach einer Penicillinallergie, einer Niereninsuffizienz oder einem Leberschaden fehlen!
Schützt vor Fehlern in der Verordnung.

Wichtige Antibiotika in der Praxis

Betalaktamantibiotika (Penicilline, Cephalosporine, Carbapeneme)

Penicilline . In der Praxis bewähren sich Penicillin V und Aminopenicilline. Bei den Aminopenicillinen ohne Betalaktamaseinhibitor entfällt der größte Teil der Verordnungen auf Amoxicillin. Im Vergleich zu den Oralpenicillinen haben die Aminopenicilline ein breiteres Wirkspektrum im gramnegativen Bereich (vor allem Haemophilus). Durch hohe Serum- und Gewebespiegel und eine hohe Aktivität gerade auch gegenüber Pneumokokken gilt Amoxicillin inzwischen als das bestgeeignete orale Betalaktam bei Pneumonien und wird in der Pneumonieleitlinie zur Therapie der ambulant erworbenen Pneumonie ohne weitere Risikofaktoren als Mittel der ersten Wahl empfohlen. Indikationen sind darüber hinaus obere Atemwegsinfektionen wie Otitis media und die akute Sinusitis.

Kombinationen von Aminopenicillin mit einem ß-Laktamasehemmstoff . Der Vorteil dieser Kombinationen liegt in der Erweiterung des Wirkspektrums und der Aktivität gegenüber Bakterien, die ß-Laktame durch einfache Betalaktamasen spalten können. Sie wirken auch gegen Moraxella, viele Enterobakteriaceae, manche Staphylococcus(S.)-aureus-Isolate und Anaerobier. Auch gelegentlich auftretende β-Laktamasebildende Haemophilus-Stämme werden erfasst. Leider gilt dies nicht für die neuen multiresistenten Erreger, die die konventionellen Betalaktamaseinhibitoren durch Extended-Spectrum-Betalactamasen (ESBL) unwirksam machen. In Deutschland werden diese Organismen als 3- oder 4- multiresistente, gramnegative Erreger (3- bzw. 4MRGN) bezeichnet (Tab. 2). Der Nachteil der Kombination von Aminopenicillin mit einem ß-Laktamasehemmstoff ist das häufigere Auftreten von gastrointestinalen Nebenwirkungen.

Tab. 2

Übersicht zu multiresistenten Bakterien aus der Gruppe der gramnegativen Organismen
3 MRGN*
• E. coli oder Klebsiellen (oder ggf. andere gramnegative Enterobacteriaceae) mit Resistenz gegenüber Cefotaxim oder bei ESBL-Nachweis
• Acinetobacter baumannii mit Resistenz gegenüber Piperacillin und Cefepim und Ciprofloxacin
4 MRGN*
• E. coli, Klebsiellen, Enterobacter spp. oder andere Enterobacteriaceae mit Resistenz gegenüber Meropenem oder bei Vorliegen einer Carbapenemase
• Acinetobacter baumannii oder Pseudomonas aeruginosa mit Resistenz gegenüber Piperacillin, Ceftazidim oder Cefepim, Meropenem und Ciprofloxacin
Antibiotika -Gruppen
• Piperacillin
• Cefotaxim/Ceftazidim
• Meropenem/Imipenem
• Ciprofloxacin
* Multiresistente gramnegative Stäbchen mit Resistenz gegen x der 4 Antibiotikagruppen
Orale Cephalosporine . Etwa ein Viertel aller Betalaktamverordnungen in der Praxis betreffen Cephalosporine. Wirkspektrum und Bioverfügbarkeit unterscheiden sich — ebenso wie der Preis — zum Teil erheblich. Generell gilt, dass die Oralcephalosporine der ersten Generation (wie etwa Cefalexin oder Cefadroxil) in ihrem Wirkungsspektrum weitgehend den staphylokokkenwirksamen Penicillinen, Oralcephalosporinen der zweiten Generation (z. B. Cefaclor oder Cefuroxim) und den Aminopenicillin-Betalaktamaseinhibitor-Kombinationen entsprechen. Sie werden üblicherweise bei unzureichender Wirksamkeit der Basispenicilline oder bei Penicillinallergie eingesetzt. Nota bene: die so oft genannte Kreuzallergie zwischen Penicillinen und Cephalosporinen ist in der Praxis extrem selten.
Die Glycyl-Cephalosporine (Cefaclor, Cefadroxil und Cefalexin) zeichnen sich durch eine hohe Bioverfügbarkeit aus: Durch eine gute, von der Nahrungsaufname weitgehend unabhängige Resorption werden relativ hohe Serumspiegel erreicht. Der Grund dafür ist ein spezifisches Carriersystem, das dem der natürlich vorkommenden Dipeptide ähnelt. In dieser Gruppe sind für die pädiatrische Anwendung auch gut schmeckende Saftzubereitungen verfügbar.
Weniger gut ist die Resorption bei den sogenannten Prodrug-Cephalosporinen Cefuroximaxetil und Cefpodoximproxetil. Letzteres hat zusammen mit Ceftibuten und Cefixim ein Wirkspektrum, das für gramnegative Bakterien erweitert wurde. Im Gegensatz zu den älteren Cephalosporinen der frühen Generation ist jedoch die Wirkung gegen S. aureus nicht mehr so sicher.
Ertapenem (als Vertreter der Guppe Carbapeneme) . Ertapenem sei hier erwähnt, obwohl es nur zur parenteralen Verabreichung zur Verfügung steht. Carbapeneme sind üblicherweise aktiv gegen Bakterien aus der Gruppe der ESBL-Bildner. In manchen Fällen kann es erforderlich oder wünschenswert sein, eine stationär begonnene Therapie mit einem Carbapenem als ambulante tägliche Infusion fortzusetzen. Da Ertapenem eine Halbwertszeit von etwa vier Stunden hat, ist es zur einmal täglichen Applikation entwickelt worden und zugelassen.

Tetrazykline

Tetrazykline sind bakteriostatisch wirksam und haben prinzipiell ein relativ breites Wirkspektrum. Allerdings haben die Resistenzen gegen Tetrazykline in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Die antibiotische Wirkung ist abhängig vom pH-Wert und weiteren physikochemischen Eigenschaften des Mediums (und damit des Gewebes). Beispielsweise ist die biologische Wirkung in der Galle nicht ausreichend, obwohl die Substanz auch über die Galle ausgeschieden wird. Der Einsatz ist also auf definierte Indikationen beschränkt.
Tetrazykline sind meinst aktiv gegenüber Haemophilus und Moraxella, wirken gut gegen Erreger der atypischen Pneumonie und sind Mittel der Wahl bei der Chlamydienurethritis und bei Borreliose. Sie bieten sich auch als Malariaprophylaxe bei Fernreisen an. Die Tetrazyklinresistenz von Pneumokokken hat in den letzten Jahren in Deutschland abgenommen. Tetrazykline sind hier immer noch effektiver als Makrolide.
Doxycyclin ist das meistverordnete Tetrazyklin, wohl auch wegen der sehr niedrigen mittleren Tagestherapiekosten. Zu den Nebenwirkungen von Doxycyclin gehört das Risiko einer fototoxischen Reaktion.

Makrolide

Makrolidantibiotika inhibieren die bakterielle Proteinsynthese und wirken daher bakteriostatisch, bei manchen Isolaten und bei hoher Konzentration auch bakterizid. Das Aktivitätsspektrum umfasst grampositive Kokken, Bordetellen, Mykoplasmen, Chlamydien, Legionellen, Corynebakterien, Helicobacter pylori, und Actinomyceten.
Die Wirkung der meisten Substanzen gegenüber Haemophilus ist nicht überzeugend, und seit etwa 1994 wird in Deutschland eine zunehmende Resistenzentwicklung bei Pneumokokken und A-Streptokokken beobachtet. Dennoch sind die Verordnungen nicht rückläufig.
Makrolide sind indiziert bei ambulant erworbenen Pneumonien und Exazerbationen chronischer Bronchitiden, bei Keuchhusten und bei Legionellosen. Bei Scharlach, Erysipel und Diphtherie sind sie Alternativen bei Penicillinallergie.
Wegen der deutlich niedrigeren gastrointestinalen Nebenwirkungsrate und der nur ein- bis zweimal täglichen Applikation haben die neuen Makrolide Azithromycin, Clarithromycin und Roxithromycin das Erythromycin weitgehend abgelöst. Azithromycin hat eine ungewöhnlich hohe Gewebegängigkeit und eine sehr lange Halbwertszeit (2–4 Tage).
Die Substanz wird noch bis zur vierten Woche nach der letzten Gabe im Urin nachgewiesen. Deshalb wirkt eine drei- bis fünftägige Therapie genauso gut wie eine zehntägige Erythromycintherapie. Als problematisch werten einige Experten die im Körper lang anhaltenden subinhibitorischen Konzentrationen, die möglicherweise die Resistenzentwicklung bei Pneumokokken und A-Streptokokken fördern.

Fluorquinolone (Gyrasehemmer)

Quinolone wirken über eine Hemmung der bakteriellen DNA-Gyrase und Topoisomerasen. Dieses Wirkprinzip ist bakterizid. In der Praxis spielen praktisch nur noch drei Medikamente eine Rolle: Ciprofloxacin (Gruppe-2-Quinolone), Levofloxacin (Gruppe 3, Fortentwicklung des Ofloxacin durch Verwendung der linksdrehenden Form von Ofloxacin und hierdurch Dosisverdoppelung der aktiven Form) und Moxifloxacin (Gruppe 4).
Cave: Bei ambulant erworbener Pneumonie und auch bei den meisten anderen ambulant erworbenen Atemwegsinfektionen ist der Einsatz von Ciprofloxacin wegen der schlechten Wirksamkeit gegenüber Pneumokokken nicht sinnvoll.
Durch eine Modifikation des Quinolonmoleküls wurde in den 1990er-Jahren Moxifloxacin entwickelt, bei dem es zu einer Erweiterung des Wirkspektrums gegen S. aureus, Streptokokken, Pneumokokken und gegen alle Erreger der atypischen Pneumonien kam. Ein weiterer Vorteil ist die längere Wirkdauer (Halbwertszeit 12–14 Stunden).
Dadurch ist bei Moxifloxacin eine einmal tägliche Dosierung gerechtfertigt, und es besteht nicht die Gefahr längerer Zeiten mit subtherapeutischen Spiegeln. Das Präparat hat eine hohe Bedeutung bei ambulant erworbenen Pneumonien und anderen respiratorischen Infektionen (wenn ein Antibiotikum wirklich indiziert ist), bei akuten Exazerbationen chronischer Bronchitiden und bei der ambulanten Behandlung von Haut- und Weichgewebeinfektionen.
Aufgrund nicht ausreichender Spiegel im Urin ist Moxifloxacin im Gegensatz zu Ciprofloxacin nicht zur Behandlung von Harnwegsinfekten geeignet. Außerdem wurde eine relevante Assoziation zwischen dem Einsatz von Gruppe-4-Quinolonen und Clostridium-difficile-assoziierter Diarrhö festgestellt.

Cotrimoxazol

Sulfonamide und Trimethoprim bewirken eine synergistische Hemmung der bakteriellen Folsäuresynthese. Aus pharmakokinetischen Gründen ist die Kombination sinnvoll, weil beide Komponenten ähnliche Halbwertszeiten haben und renal eliminiert werden. Cotrimoxazol war ursprünglich ein Mittel der Wahl bei unkomplizierten Harnwegsinfektionen. Wegen zunehmender Resistenzen von E. coli ist der Einsatz bei der unkomplizierten Zystitis nur noch dort sinnvoll, wo die Resistenzraten bekannt und niedrig sind. Außerdem hat Cotrimoxazol seinen Platz bei der Behandlung der Pneumocystis-Pneumonie, die aber nur im Sonderfall einer leichten Manifestation in der Praxis behandelbar ist.

Clindamycin

Clindamycin scheint eine Art Lieblingsantibiotikum der zahnärztlichen Kollegen in Deutschland (nicht in anderen Ländern) zu sein. Das liegt vor allem daran, dass dem Medikament in den 1990er-Jahren eine hohe Knochengängigkeit „nachgesagt“ wurde. Die genauere Betrachtung aller hierzu verfügbaren Daten zeigt, dass die Knochengängigkeit zwar gut, aber nicht signifikant besser ist als bei Betalactamantibiotika.
Clindamycin wirkt lediglich bakteriostatisch und hat eine komplette „Gramnegativlücke“. Die Wirksamkeit beschränkt sich praktisch auf Staphylokokken, Streptokokken und Anaerobier. Wenn eine antibiotische Therapie mit einem breiten Wirkspektrum erforderlich ist (Zahnfleischentzündung, Kieferentzündung, diabetischer Fuß), muss Clindamycin mit einem „Gramnegativ-Antibiotikum“, z. B. Ciprofloxacin, kombiniert werden. Clindamycin weist eine recht hohe Assoziation mit einer antibiotika-induzierten Diarrhö sowie der Clostridium-difficile-assoziierten Diarrhö auf, weshalb es eher als Reserveantibiotikum gehandhabt werden sollte.

Weit verbreitete Missverständnisse zu Antibiotika

Immer wieder treten Situationen in der Infektionsbehandlung auf, die uns zeigen, dass es auf Seite der Patienten, aber auch bei den Kollegen zu Missverständnissen gekommen ist.

Nicht immer ist eine berichtete Allergie eine tatsächliche Allergie

Erstens wird von Patienten oft von einer Penicillin„allergie“ gesprochen, die bei genauerer Befragung und Betrachtung des wahren Sachverhalts angezweifelt werden kann. Oft meint der Patient, dass er in der Vergangenheit ein Antibiotikum nicht vertragen hat (Diarrhö, Übelkeit, Kopfschmerz, Hautrötung). Ob es sich dabei um Penicillin oder um eine andere Substanzgruppe gehandelt hat, kann oft retrospektiv nicht geklärt werden. Die Unverträglichkeit erfüllt nur sehr selten die anamnestischen Kriterien einer wirklichen Allergie oder Hypersensitivität. Im Zweifel sollte also durch eine Allergietestung geklärt werden, ob die Diagnose Penicillinallergie aufrechtzuerhalten ist.

Antibiotika unterstützen das Immunsystem

Zweitens meinen viele Patienten, ein Antibiotikum sei schlecht für das Immunsystem oder würde das Immunsystem hemmen. Zutreffend ist eher das Gegenteil: Durch eine bakterizide oder bakteriostatische Wirkung wird die Antigenmenge verringert, und das körpereigene Immunsystem bekommt Unterstützung gegen die Infektion.
Zudem ist für manche Substanzen (z. B. Makrolide wie Azithromycin) eine immunmodulierende und entzündungshemmende Wirkung nachgewiesen, die direkt genutzt werden kann. Die Erklärung, dass das Antibiotikum das Immunsystem unterstützt, ist wichtig und motivationsfördernd.

Die Darmflora regeneriert sich meist von selbst

Drittens wird häufig von einer irreversiblen Störung der Darmflora durch Antibiotika ausgegangen. Richtig ist, dass es durch eine antibiotische Behandlung häufig zu einer vorübergehenden Störung des intestinalen Mikrobioms kommt. Viele Untersuchungen haben gezeigt, dass in der Regel auch ohne weiteren Eingriff und auch ohne spezifische Unterstützung eine Regeneration auf die ursprüngliche Zusammensetzung der Flora stattfindet.

Dauer der antibiotischen Therapie

Viertens wird häufig davon ausgegangen, dass in jedem Fall die Antibiotikapackung aufgebraucht werden muss. Bei vielen Infektionsarten ist aber inzwischen belegt, dass im Einzelfall eine kürzere Behandlung ebenso effektiv ist wie eine Behandlung, die z. B. drei Tage länger dauert.
Es gilt der Grundsatz „Therapieende drei Tage nach Entfieberung“, es sei denn, es handelt sich um eine Infektion mit einer langen Erregergenerationszeit, die auch nach den Leitlinien lang behandelt werden soll. Als Beispiele seien genannt: Mykoplasmen, Chlamydien, Legionellen, Coxiellen, Borrelien, Lues und Tuberkulose.
Typische Beispiele für eine variable Therapiedauer sind die COPD und die Pyelonephritis. Hier wird in verschiedenen Leitlinien jeweils eine Bandbreite von möglichen Therapiedauern angegeben. Beispiel COPD — Exazerbation: 7 Tage Standard nach CAP-Leitlinie (Spannbreite 5 bis 8 Tage). Beispiel unkomplizierte Pyelonephritis: Standard 7–10 (je nach Situation, Erreger und Antibiotikum bis zu 14) Tage.
Eine sequenzielle Therapie, die zunächst intravenös beginnt und nach dem klinischen Ansprechen z. B. am Tag 4 mit einer oralen Therapie fortgesetzt wird, ist zwar hauptsächlich in der Klinik gebräuchlich, ist aber jederzeit auch auf die Praxis übertragbar und kann zur schnelleren Entlassung aus dem Krankenhaus führen.

Ausblick

Wegen der schlechter werdenden Empfindlichkeit von Bakterien auf Antibiotika ist einerseits eine Reaktion auf die Ursachen (unsachgemäßer Gebrauch in Human- und Tiermedizin, nosokomiale Verbreitung, internationale Verbreitung) erforderlich. Andererseits wird immer wieder der Ruf nach neuen Antibiotika laut.
In den letzten zehn Jahren sind ausreichend neue Antibiotika für die Behandlung von Infektionen mit Methicillin-resistenten S.-aureus-Stämmen (MRSA) verfügbar geworden. Mit der Neueinführung des Oxazolidinons Tedizolid steht (neben und nach Linezolid) ein weiteres Medikament in diesem Sektor zur Verfügung, das nicht nur parenteral sondern auch oral gegeben werden kann.
Hier sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Einsatz einer individuellen Abwägung von Nutzen, Risiko und Kosten bedarf und hauptsächlich spezifischen Sonderfällen vorbehalten ist (als off-label Möglichkeit bei Knochen-, Gelenk- oder Protheseninfektionen; zugelassen für: Haut- und Weichgewebeinfektionen).
Für den niedergelassenen Hausarzt bedeutet dies meist die Fortführung einer stationär begonnenen Therapie.
Weitere Neuerungen auf dem Antibiotikamarkt beschränken sich auf intravenös zu applizierende Substanzen vorwiegend für den klinischen Gebrauch. Hier sind zwei neue Cephalosporine/Cephalosporinkombinationen mit erweitertem Wirkspektrum und teilweise ESBL-Wirkung zu erwähnen: Ceftolozan/Tazobactam zur Behandlung komplizierter Infektionen im Abdomen und der Harnwege und Ceftobiprol bei Pneumonie.

FAZIT FÜR DIE PRAXIS

1.Die Indikationsstellung zum Einsatz von Antibiotika richtet sich ganz nach der Symptomatik, den Befunden und der daraus resultierenden Verdachtsdiagnose einer klassischen Infektionskrankheit.

2.Die Auswahl eines Antibiotikums kann sich für jede kalkulierte Therapie an fünf einfachen Leitfragen orientieren.

3.Mitigiertes oder grünliches Sekret ist kein Beweis für eine bakterielle Erkrankung.

4.Kolonisation ist keine Indikation für eine antibiotische Therapie.

5.Hinter einer berichteten Penicillinallergie steckt oft nur eine Unverträglichkeit.

6.Weitere Neuerungen auf dem Antibiotikamarkt beschränken sich auf intravenös zu applizierende Substanzen vorwiegend für den klinischen Gebrauch.