Die neue Leitlinie zur stationären Behandlung bei COVID-19 bezieht neben Diagnostik, Therapie und Prognose einer SARS-CoV-2-Infektion auch Besonderheiten bei pädiatrischen Patienten und ethische Aspekte mit ein.

Corona-Patient Klinik

Die neue S2k-Leitlinie „Empfehlungen zur stationären Therapie von Patienten mit COVID-19“ stellt eine Erweiterung der S1-Leitlinie zur intensivmedizinischen Betreuung von Patienten mit COVID-19 auf den gesamtstationären Bereich dar [1].

Unter Koordinierung von  Professor Dr. med. Stefan Kluge, Direktor der Klinik für Intensivmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, wurde die neue Leitlinie erstellt. Beteiligt waren insgesamt 14 Fachgesellschaften, wovon die Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN), die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) und die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) federführend waren.

COVID-19 sicher und strukturiert therapieren

Ein Großteil der Patienten mit COVID-19 zeigt milde Symptome, etwa Husten und Fieber. Etwa 6% der Patienten benötigen eine stationäre Behandlung. Im Durchschnitt liegen 10 Tage zwischen dem Auftreten erster Symptome und der Aufnahme auf die Intensivstation, die durchschnittliche Verweildauer dort beträgt bei invasiver Beatmung 18 Tage. Etwa die Hälfte der Intensivpatienten benötigt eine stationäre Beatmung.

Ein strukturiertes, sicheres und ressourcenschonendes Management dieser Patienten im Krankenhaus ist daher unerlässlich. „Mit der neuen S2k-Leitlinie ist es uns erstmals gelungen, alle Therapieempfehlungen für die stationäre Behandlung von COVID-19-Patienten zusammenzufassen“, erläutert Professor Dr. med. Stefan Kluge (Foto), Koordinator der Leitlinie. „Somit können wir die Therapie endlich ganzheitlich und fächerübergreifend betrachten, da alle beteiligten Fachgruppen in die Erstellung einbezogen waren“, so Kluge.

Die Leitlinie möchte ein strukturiertes, sicheres und ressourcenschonendes Management stationärer COVID-19-Patienten ermöglichen. „Mit der neuen S2k-Leitlinie ist es uns erstmals gelungen, alle Therapieempfehlungen für die stationäre Behandlung von COVID-19-Patienten zusammenzufassen“, erläutert Kluge [2]. „Somit können wir die Therapie endlich ganzheitlich und fächerübergreifend betrachten, da alle beteiligten Fachgruppen in die Erstellung einbezogen waren“, so der Intensivmediziner.

Indikationen zur stationären Aufnahme

Zur Indikationsstellung der stationären Aufnahme sollen laut Leitlinie der funktionelle Status, die Sauerstoffsättigung sowie potentielle Komorbiditäten berücksichtigt werden. Häufig lägen bei stationärer Aufnahme Komorbiditäten vor, wovon kardiovaskuläre Erkrankungen – v.a. eine arterielle Hypertonie – sowie Diabetes mellitus und chronische Lungenerkrankungen (z.B. Asthma oder COPD) die häufigsten Komorbiditäten darstellen. Ein weiterer wichtiger Risikofaktor, besonders bei Männern und jüngeren Patienten, ist das Vorliegen einer Adipositas.

Indikationen zur intensivmedizinischen Betreuung

Die Leitlinie empfiehlt eine Aufnahme von COVID-19-Patienten auf die Intensivstation bei einer Hypoxämie mit einer Sauerstoffsättigung (SpO2) unter 90% (unter 2-4 Liter Sauerstoff bei nicht vorbestehender Therapie) und Dyspnoe oder/und einer Atemfrequenz von mehr als 25-30 Atemzügen pro Minute.

Empfehlungen zu Labor und Bildgebung

Bei stationären Patienten mit COVID-19 sollten laut Leitlinie in der initialen Labordiagnostik CRP, LDH, AST, eine Differentialblutbild und D-Dimere bestimmt werden. Kontrollen sollten zu den gegebenen Abständen erfolgen.

Bezüglich der Bildgebung betont die Leitlinie, dass der primäre Test für die Diagnose von SARS-CoV-2 die PCR ist. Demnach sollte ein CT des Thorax bei Patienten mit COVID-19 nur bei „differentialdiagnostischen Unsicherheiten“, etwa bei Verdacht auf eine Lungenembolie, durchgeführt werden oder wenn daraus klinische Konsequenzen folgen.

Untersuchung weiterer Organsysteme

Neben der respiratorischen Problematik können bei COVID-19 auch das Herz, die Nieren oder das Nervensystem betroffen sein. Letzteres wird auch als Neuro-COVIDbezeichnet. Zur Beurteilung dieser Organsysteme gibt die Leitlinie ebenfalls Empfehlungen.

Nierenbeteiligung bei COVID-19

COVID-19-Patienten mit Nierenbeteiligung und damit einhergehendem akutem Nierenversagen weisen eine erhöhte Morbidität und Letalität auf. Eine in der Leitlinie zitierte Studie zeigt, dass sich aus der Niere isoliertes SARS-CoV-2 in-vitro in ähnlicher Geschwindigkeit repliziert wie Virus, das aus Lungengewebe isoliert wurde.

Um erste Anzeichen einer Nierenbeteiligung zu erkennen, empfiehlt die Leitlinie bei nachgewiesener Infektion mit SARS-CoV-2 und Hospitalisierung eine Urinuntersuchung mit der Bestimmung von Albuminurie, Hämaturie und Leukozyturie, die ggf. in angezeigten Abständen zu wiederholen ist.

Herzbeteiligung bei Infektion mit SARS-CoV-2

Bei kritisch kranken COVID-19-Patienten ist eine kardiale Beteiligung nicht selten. Daher empfiehlt die Leitlinie bei Patienten mit deutlich erhöhten Troponinwerten ohne typische EKG-Veränderungen eines Myokardinfarktes vom Typ I eine Echokardiographie zur differentialdiagnostischen Abklärung.

Neurologische Beteiligung

Eine in der Leitlinie zitierte Studie zeigt, dass bei über 80% von konsekutiven Patienten neurologische Symptome auftraten. Am häufigsten waren Myalgien, Kopfschmerzen, Störungen von Geruchs- und Geschmackssinn sowie Benommenheit. Bei Verdacht auf eine zerebrale oder spinale Beteiligung sollte demnach ein CT oder MRT durchgeführt werden.

Vorgehen bei akuter respiratorischer Insuffizienz

Zum Vorgehen bei einer Hypoxämie bzw. einer respiratorischen Insuffizienz gibt die Leitlinie ausführliche Informationiens und spricht mehrere Empfehlungen aus. Beispielsweise sollte ein SpO2 von ≥90% (> 88% bei COPD) bzw. ein PaO> 55 mm Hg bei der Therapie einer akuten hypoxämischen respiratorischen Insuffizienz erreicht werden, um eine adäquate Oxygenierung sicherzustellen.

„Das Hauptziel der unterstützenden Therapie besteht darin, eine ausreichende Sauerstoffversorgung zu sichern, wofür uns verschiedene Methoden, wie Sauerstofftherapie oder eine Masken-Beatmung unterstützend zur Verfügung stehen“, erläutert Professor Dr. med. Michael Pfeifer, Präsident der DGP [2]. Die Leitlinie stellt dar, wann welche Form der Atemunterstützung, wann eine Intubation und mechanische Beatmung zum Einsatz kommen. „Die invasive Beatmung und wiederholte Bauchlagerung sind dabei wichtige Elemente in der Behandlung schwerst erkrankter COVID-19-Patienten“, so Pfeifer.

Eine Abbildung und eine Tabelle am Ende der Leitlinie geben hierzu einen Überblick, auch unter Einbeziehung von Maßnahmen zur Minimierung der Aerosolbildung und Exposition. Denn auch hygienische Aspekte zum Schutz von Patienten und Personal werden in der Leitlinie thematisiert.

Medikamentöse Therapie: Remdesivir und Dexamethason

Die medikamentöse Therapie bei COVID-19 kann in antivirale und immunmodulatorische Ansätze unterteilt werden. Hierbei betont die Leitlinie, dass sich die Empfehlungen aufgrund der dynamischen Entwicklung und der raschen Entwicklung des Wissens als in ständiger Überarbeitung angesehen werden müssen.

Zusammenfassend lässt sich laut der Leitlinie aktuell (November 2020) sagen, dass eine klinische Wirksamkeit bei hospitalisierten Patienten mit moderater bis schwerer COVID-19-Erkrankung bisher für Remdesivir gegeben ist und bei einer schweren Erkrankung für Dexamethason. Die Zulassung von Remdesivir erfolgte in Europa zur Therapie von SARS-CoV-2 bedingten Pneumonien mit Sauerstoffbedarf.

Prognose, ethische Aspekte und mehr

Abschließend bietet die Leitlinie eine Übersicht zur aktuellen Datenlage bezüglich Prognose, persistierenden Symptomen, Rehabilitation, Langzeitfolgen, Besonderheiten bei pädiatrischen Patienten und zu ethischen Aspekten.

Die S2k-Leitlinie zur stationären Therapie bei COVID-19 gibt somit einen Überblick über die relevanten Aspekte und die aktuelle Studienlage für Krankenhausärzte und weitere Berufsgruppen, die COVID-19-Patienten betreuen. Weiterhin möchte die Leitlinie Personen und Organisationen, die sich direkt oder indirekt mit COVID-19 befassen, als Orientierung dienen. Quelle:Autor:Dr. Melanie Klingler (Medizinjournalistin)