Hypoglykämien treffen multimorbide alte Diabetiker oft besonders schwer. Trotzdem werden sie oft mit Insulin und Sulfonylharnstoffen zu streng eingestellt, berichten jetzt US-Forscher.

Plädoyer für individuelle Therapien im Alter

Bei vielen multimorbiden Diabetikern ist der Blutzucker sehr streng eingestellt.

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EAST ORANGE. Insulin und Sulfonylharnstoffe stehen gleich nach dem Vitamin-K-Antagonisten Warfarin an zweiter Stelle, wenn über 65-Jährige in den USA wegen unerwünschten Medikamentenwirkungen notfallmäßig versorgt werden müssen.

Ob bei den Betroffenen der Blutzucker möglicherweise zu streng eingestellt ist, haben Forscher um Dr. Chin-Lin Tseng von der Rutgers University in New Jersey in einer Querschnittsstudie untersucht.

Analysiert wurden dazu die HbA1c-Werte von 652.378 Patienten der Veterans Health Administration; die Teilnehmer waren im Jahr 2009 mit Insulin oder Sulfonylharnstoffen behandelt worden (JAMA Intern Med 2014; 174: 259). Bei 41,6 Prozent der Patienten lag der HbA1c-Wert unter 7,0 Prozent.

Um eine mögliche Übertherapie bei verschiedenen Risikofaktoren zu evaluieren, wurden mehrere Patientengruppen gebildet: 31,5 Prozent der Probanden waren mindestens 75 Jahre alt, hatten ein Serumkreatinin von 2,0 mg/dl oder darüber oder auch kognitive Störungen wie Demenz (Gruppe A).

Insgesamt 65,9 Prozent der Teilnehmer hatten kardiovaskuläre oder andere Folgekrankheiten, eine verringerte Lebenserwartung, schwere neurologische Störungen, Depressionen oder waren suchtkrank (Gruppe G).

Trotzdem war bei vielen multimorbiden Patienten der Blutzucker sehr streng eingestellt. In der Gruppe A lag bei 11,3 Prozent der Probanden der HbA1c-Wert unter 6,0 Prozent, bei 28,6 Prozent unter 6,5 Prozent und bei 50 Prozent unter 7,0 Prozent. Selbst in der Hochrisikogruppe G lag bei 10,1 Prozent der Patienten der HbA1c-Wert unter 6 Prozent, bei 25,2 Prozent unter 6,5 Prozent und bei 44,3 Prozent unter 7 Prozent.

Individualisierte Therapie-Ziele anstreben

Die Untersuchung zeigt, dass ein beträchtlicher Anteil der überwiegend alten komorbiden Patienten offenbar einer strengeren Blutzuckereinstellung unterlag als empfohlen.

So raten Experten in den USA bereits seit 1997 bei betagten komorbiden Diabetikern individualisierte Therapie-Ziele anzustreben. Vor allem für alte Patienten mit chronischen Erkrankungen kann es sinnvoll sein, die Medikation entsprechend zu überprüfen.

Ein zentrales Therapieziel bei alten Menschen mit Diabetes ist die strikte Vermeidung von Hypoglykämien, steht in der Nationale Versorgungs-Leitlinie Therapie des Typ-2-Diabetes.Generell wird darin im Alter ein HbA1c-Therapieziel von 7 bis 8 Prozent empfohlen.

Bei Patienten mit langer Diabetesdauer und Komorbiditäten wie Koronarerkrankungen oder Schlaganfall halten die deutschen Experten aktuell auch einen Wert über 8 Prozent für tolerabel. (St)

Ärztezeitung http://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/diabetes/article/856527/unterzuckerung-plaedoyer-individuelle-therapien-alter.html?sh=3&h=983257100