Bild zu Tracheotomie - Welche Komplikationen drohen?

Die Tracheotomie wird in der modernen Medizin zwar als Routineeingriff betrachtet. Man darf jedoch nicht vergessen, dass es sich hierbei um eine hochinvasive und elektive Maßnahme am Atemweg eines Patienten handelt, die – mitunter schwerwiegende und tödliche – Notfallsituationen nach sich ziehen kann. Dabei stellt die zunehmende Zahl tracheotomierter Patienten auch den betreuenden Hausarzt vor Herausforderungen. Bei der Behandlung einer Obstruktion der oberen Atemwege ist das Wiederherstellen und Sichern des Luftwegs das wichtigste Ziel des Notfallmanagements.

Seit der Propagierung von bettseitigen Punktionstechniken hat sich die Tracheotomie als Perkutane Dilatative Tracheotomie (PDT) zu einem mehrfach modifizierten Standardeingriff der Intensivmedizin etabliert [1]. Heutzutage werden weltweit mehr als 9/10 der Tracheotomien als PDT durchgeführt [2]. Mit einem Anteil von etwa 70 % im Jahr 2008 stellt die Ciaglia Blue-Rhino-Technik das am meisten verbreitete PDT-Verfahren in Deutschland dar [3] (Abb. 1). Die Vorteile der Tracheotomie und der PDT sind in Übersicht 1 dargestellt.

Nie darf bei Eingriffen an der Luftröhre vergessen werden, dass es sich um eine singuläre und lebensnotwendige Struktur handelt und dass Komplikationen im Umfeld einer Tracheotomie lebensbedrohend sein können. Bereits in der Nichtbeachtung von Indikationen und Kontraindikationen findet sich ein Teil der Ursachen, die späteren Komplikationen zugrunde liegen.

Indikationen

Eine sorgfältig ausgeführte Tracheotomie schützt die Kehlkopfstrukturen vor Langzeitintubationsschäden. Die Stimmlippenebene ist physiologisch die engste Stelle im Atemrohr des Menschen. Der Ringknorpel ist durch seine geschlossene Formation nicht dehnbar. Verletzungen der Schleimhaut und Entzündungsreaktionen, z. B. durch Langzeitintubation, disponieren zu späteren Atemwegsstenosen [4]. Eine Tracheotomie ermöglicht den kontinuierlichen Zugang zum Atemweg unter Vermeidung der Analgosedierung. Die Atmung über ein Tracheostoma bedingt im Gegensatz zum Endotrachealtubus einen geringeren Kraftaufwand durch die deutliche Reduktion des Atemwegswiderstandes. Die zur Spontanatmung aufzubringende Kraft steigt gemäß dem Hagen-Poiseuille-Gesetz umgekehrt proportional und exponentiell zum Tubusinnendurchmesser. Insbesondere in der Entwöhnungsphase nach maschineller Beatmung (Weaningphase) muss der längere Zeit endotracheal intubierte Patient zusätzliche muskuläre Energiereserven mobilisieren, die dann häufig erschöpft sind [5]. Dies entfällt beim tracheotomierten Patienten weitgehend.

Kontraindikationen der PDT

Im Gegensatz zur offenen chirurgischen Tracheotomie gelten für Punktionstechniken spezielle Kontraindikationen (Übersicht 2). Die Punktionstracheotomie erfordert die sichere Identifikation der inneren und äußeren Anatomie mit Ringknorpel und Trachealspangen im Verlauf der Trachea sowie des trachealen Punktionsortes.

Eine weitere Kontraindikation der Punktionstracheotomie ist ein Patientenalter unter 16 Jahren. Aufgrund des weicheren Trachealgewebes und des geringeren Trachealquerschnitts ist während der Punktionsverfahren bei Jugendlichen mit einer deutlich erhöhten Verletzungsgefahr der Tracheahinterwand zu rechnen. Eine absolute Kontraindikation ist die bekannte oder zu erwartende schwierige Intubation. In den ersten zehn Tagen nach Anlage eines Punktionstracheostomas kann bei einem versehentlichen oder wegen einer Kanülenverlegung notwendigen Dekanülement eine Rekanülierung unmöglich sein. Ursache ist regelhaft eine kulissenartige Verschiebung prätrachealer Strukturen (Schilddrüse), was die erneute Auffindung des vermeintlich präformierten Wegs zur Trachea unmöglich macht. Eine sofortige orale Intubation zur Sicherung des Atemwegs ist dann unumgänglich.

Die Notwendigkeit eines dauerhaften Tracheostomas, z. B. schwere Schluckstörung nach Schlaganfall und weiteren gravierenden neurologischen Erkrankungen oder die Entlassung eines tracheotomierten Patienten nach Hause bzw. in eine Pflegeeinrichtung, soll als weitere Kontraindikation für Punktionsverfahren angesehen werden. Der eigenständige Kanülenwechsel durch den Patienten, Angehörige oder Pflegende ist nach Punktionstracheotomie schwieriger als bei einem offen chirurgisch angelegten Tracheostoma. Der Kanülenwechsel im Dilatationsstoma dauerhaft Tracheotomierter führt häufiger zu Blutungen, Läsionen, Granulationen am Stoma, auch zur erhöhten Gefahr einer Via falsa sowie der Ausbildung von Trachealstenosen, weshalb im Einzelfall die Umwandlung einer ursprünglichen PDT in ein epithelisiertes Stoma durch den HNO-Arzt hilfreich sein kann.

Atemnot bei Trachealkanülenpatienten

Die Verlegung der Atemwege ist eine lebensbedrohliche Notfallsituation. Bei tracheotomierten Patienten handelt es sich meist um einen Schleimpfropf in der Trachealkanüle oder um Borken in der Trachea. Ungenügende Anfeuchtung der Atemluft, schlechte Kanülenpflege und Tracheitis kommen ursächlich infrage.

Klinisch weist der Patient meistens paroxysmalen Husten, inspiratorischen Stridor, Dyspnoe und ggf. auch Zyanose auf. Je nach Größe und Konsistenz kann ein solcher Pfropf in die Trachea oder Bronchien abrutschen und Hustenattacken mit Dyspnoe und exspiratorischem Giemen verursachen. Prolongiert diese für den tracheotomierten Patienten sehr belastende Situation, kann dies zu persistierender Bronchitis und Pneumonie führen. Beim Patienten muss in diesen Fällen die verstopfte Kanüle entfernt und durch eine gereinigte Kanüle ersetzt werden (vgl. Übersicht 3).

Andere mögliche Ursachen der Dyspnoe bei Trachealkanülenpatienten sind Granulationen, Trachealstenosen oder falsch eingesetzte Kanülen. Entfernung und Inspektion der Kanüle, Absaugen und Ersatz durch eine gereinigte Kanüle sowie bei nur geringer Besserung die Vorstellung des Patienten beim HNO-Arzt in Praxis oder Klinik zur Endoskopie der Trachea offenbaren schnell die der Atemnot zugrunde liegende Ursache.

Atemwegnotfälle nach Tracheotomie durch Ausbildung von Trachealstenosen sind ein gefürchtetes Ereignis. Erneute Krankenhausaufenthalte mit wiederholten chirurgischen Maßnahmen werden unvermeidlich. Die Ursachen von Trachealstenosen sind meist vielschichtig und beruhen in der Regel auf einer Kombination aus primärem trachealen Trauma (Abb. 2), bakterieller Infektion, kontinuierlichem Fremdkörperreiz durch schlecht sitzende Kanülen mit Gewebeneubildungen an prädisponierten Stellen über, neben und unter dem Stoma und Verlust des ursprünglichen trachealen Gewebeschichtaufbaus (Abb. 3). Besonders sensibel reagiert der Ringknorpel auf Traumen und Verletzungen mit Ausbildung rezidivfreudiger Trachealstenosen.

Blutungen

Typische Notfälle nach offen chirurgischer Tracheotomie sind Sickerblutungen am Stomakanal. Elektrokoagulation oder die gesicherte Streifentamponade um die Kanüle gelegt können hilfreich sein. Größere Blutungen erfordern die operative Revision, wobei zuvor eine zelluläre sowie plasmatische Gerinnungsstörung ausgeschlossen werden sollte. Ursache für Blutungen können auch Granulationen, Polypen oder Ulcera der Trachealschleimhaut sein, insbesondere an den Kontaktstellen des distalen Endes der Trachealkanüle (Abb. 3).

Cave: Sedierung

Bei schweren Tracheotomiekomplikationen ist die Intubationsfähigkeit frühzeitig prognostisch zu bewerten. Eine schwere Obstruktion des Tracheostomas kann sich schleichend entwickeln und in Ruhe nur geringe Symptome aufweisen. Spontanatmende Patienten mit einer möglichen Verlegung des Tracheostomas dürfen deshalb nie sediert werden, bis die Atemwege definitiv gesichert sind. Schon eine leichte Sedierung kann zu einer respiratorischen Insuffizienz führen.

Dr. med. Andreas Nowak Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2014; 36 (3) Seite 42-46